> Home
> Projekt
> Bunker
> Künstler
> Kontakt

Paradies im Bunker

Am 8. November 2004 wird im Kunstbunker Tumulka in München die Ausstellung „Paradies im Bunker“ eröffnet. Über 30 internationalen Künstlern aus Ost und West werden Vorstellungen vom Paradies erforscht und erlebbar gemacht.
München schließt sich damit einem Projekt des deutsch-russischen Künstler- und Kuratorenpaares Nina und Torsten Römer (M°A°I°S° ) an, die auf einem internationalen Kuratorentreffen in Moskau 2003 initiiert wurde. Dieses Projekt setzt sich mit dem „Paradies“-Thema in Bunkern und unterirdischen Orten auseinander.
Berlin machte letzten Herbst den Anfang. Die Reise ins „Paradies” der Bunkeranlagen unter dem Alexanderplatz war ein großer Ausstellungserfolg. Tausende von Besuchern ließen sich durch das Labyrinth schleusen und machten sich in der Isolation vom geschäftigen Treiben des Bahnhofs darüber auf die Suche nach den inneren Vorstellungswelten der Künstler.

Kunstbunker Tumulka

In München strebt das „Paradies“ in die Höhe. Im Hochbunker „Tumulka“ am Prinzregentenplatz brandet der Verkehr um das Gebäude, der isolierte Raum ist nicht unter der Erde, sondern steht wie ein Monolith mitten im alltäglichen Geschehen. Umgeben ist er von anderen kulturellen Orten des Schauens (Stuck-Villa, verschiedene Galerien, Prinzregententheater), ist im Gegensatz zu diesen aber vollständig nach außen abgeschottet, projiziert die Stille der Tiefe nach oben.


“Paradise now!“

„Wie stellen Sie sich das Paradies vor? Gibt es im Osten ein anderes Paradies als im Westen? Wo ist das Paradies? Wie nah sind wir dem Paradies? Ist das Paradies käuflich? Leben wir im siebten Himmel oder doch nur im Sparparadies?”

Für jeden der Künstler definiert sich der Ort, an dem sich das „Paradies“ manifestiert anders. Es gibt so viele unterschiedliche Paradiesvorstellungen, wie es Künstler gibt und Menschen, die ihre Werke betrachten. Gleich ist nur der Ausgangspunkt für diese Vorstellungen: die Auseinandersetzung mit dem Hier und Jetzt.

Wie sieht das Paradies heute aus, in Zeiten der wirtschaftlichen Rezession und Arbeitslosigkeit? Ist es nach wie vor eine Vorstellungswelt als Platzhalter für das Unerfüllbare? Beansprucht das Paradies einen reinen Sehnsuchtsplatz, da es zum Verschwinden gebracht wird, wenn es realisiert wird? Oder ist im Gegenteil das Paradies greifbarer geworden, da wir immer mehr die Möglichkeit erhalten, es Wirklichkeit werden zu lassen? Welchen Anteil hat die Werbung an der Befriedigung dieser Sehnsüchte? Ist sie nicht ein wichtiger Motor zur Erzeugung erreichbarer paradiesischer Zustände? Und ist gerade deshalb der Kunde so unzufrieden, wenn er das erworben hat, was er sich immer gewünscht hat, da er es sich nur vermeindlich gewünscht hat?

Sehnen wir uns nicht auch in der globalen Politik paradiesische Zustände herbei? Eine Welt ohne Krieg? – Das Paradies ist trotz der Beendigung des kalten Krieges nicht näher gerückt; seit den Terroranschlägen des 11. Septembers scheint die endlich geeinte westliche Welt vor einer neuen Gefährdung zu stehen. Aber ist dieser Wunsch nach Einheit, Konfliktfreiheit und Harmonie innerhalb der Völkergemeinschaft nicht ohnehin eine weitere Utopie, deren Erfüllung vor dem Hintergrund zerfallender Sozialsysteme in den einzelnen Staaten in weite Ferne rückt. Ist es jemals gelungen politische Utopien zu verwirklichen und ist das überhaupt ihr Sinn?

Wenn das Paradies nicht in der großen Politik zu finden ist, dann vielleicht im Kleinen, im abgesteckten, häuslichen Rahmen - z. B. im hingebungsvollen ,,Do-it-yourself“ des Heimwerkers und im beschaulichen „Mikrokosmos“ der Hausfrau.

Ironische und idealistische Ansätze prallen aufeinander, ohne dass eine Entscheidung getroffen werden kann, zu welcher Seite sich der Paradiesgedanke zurechnen läßt. Wäre noch vor kurzer Zeit klar gewesen, dass sich die Paradiesidee in ihrer Kommerzialisierung aufgelöst hat, so werden jetzt am Ende der Spaßgeneration wieder Modelle für Antworten auf existentielle Fragen gesucht.

Die Vielzahl der einzelnen Paradiesvorstellungen erstaunt und spannt einen weiten Fächer auf von unterschiedlichen Weltsichten und kulturell bedingten Utopien. Durch die verschiedenen Arbeitsansätze der Künstler und durch die Verwendung von unterschiedlichen Medien wie Malerei, Video, Foto, Raum- und Multi-Media-Installationen werden viele Assoziationsmöglichkeiten gegeben – der Betrachter kann wählen und zu dem Ansatz finden, der ihm entspricht.


„Das Paradies ist ein fauler Apfel”:

„Wieso in Bunkern und unterirdischen Orten”
Das Paradies im Spannungsfeld:

Künstler nutzen immer wieder ungewöhnliche Orte als „exotischen“ Ausstellungskontext für ihre Arbeit, da diese Orte Speicher historischer Ereignisse und menschlicher Begegnungen sind.
Wer einmal einen Bunker oder vergleichbare unterirdische Räume betreten hat, spürt sofort dessen Isolation: absolute Stille, Dunkelheit. Da gibt es kein Fenster, das ihn mit dem Draußen verbindet. Es sind Räume von ungeheurer Kraft - existenzielle Orte.
Per se beinhalten sie die Polarität von innen - außen, kalt - warm, laut - leise, hell – dunkel.
Ihre faktische Abgeschlossenheit regt unsere Phantasie an, schafft Platz für die inneren Bilder: positive und negative. In ihnen keimen Utopien, sie lassen uns abgleiten ins Land der Wunschträume – ins Paradies.

Die Kunsträume sind entsprechend des emotionalen und didaktischen Spannungsfeldes „Innen – Außen“ ausgewählt. Die Konfrontation mit dem Thema Paradies wird in den ausgewählten Räumen zugespitzt.

> Künstler

München, April 2003 / © Annegret Bleisteiner, Dr. Cornelia Osswald-Hoffmann, Heidrun Waadt

> oben