Künstler/künstlerische
Umsetzung:
„Manchmal
liegt das Paradies direkt hinter den geschlossenen Augenlidern“,
schreibt Karin Böker von der Berliner Zeitung über die
intensiven Schwarz-Weiß-Fotos von Mathias Bothor.
Der alte Mann und der kleine Junge – durch das eine Gesicht
ist die Zeit gegangen und hat ihre Spuren abgelagert, das andere
Gesicht hat sie noch nicht angerührt, es ist glatt und spurenlos.
Und doch können in den Räumen hinter den geschlossenen
Lidern die gleichen Welten und Träume liegen, in denen Zeit
keine Rolle spielt.
Pflanzen in saftigem Wachstum berichten mit der Vielfältigkeit
ihrer Arten und der Schönheit ihrer Formen immer schon von
der harmonischen Perfektion des Paradieses. Im Bunker haben sie
sich den neuen Umständen angepasst: mit künstlichen Lichtquellen
bestrahlt, wirkt das Deckengewächshaus von Daniela
Risch wie das Bild für ein idealistisches Schöpfertum
im Angesicht der Vergeblichkeit, denn in dieser feindlichen Umgebung
hält nur die Künstlichkeit die Natürlichkeit am Leben.
Auch Adam und Eva sind unterwegs. Vereint sind Ost und West in der
deutsch-russischen „Knutschperformance“ Nina
und Torsten Römer, den Initiatoren der Ausstellungsreihe.(http://www.roemer.tv)
Mehr erotische Phantasien mit einem satten surrealen Einschlag bieten
die Arbeiten des Russen Oleg Kulik. Im ästhetischen
Schwarz-Weiß mischen sich eine erotische Paarszene mit der
Jagdszene in der verschneiten Steppe. Zwischen Wolf und Rentiere
schiebt sich ein extatisches Paar, der Hunger nach Fleisch endet
aber doch im ausgestopften Rachen des Wolfes.
Der menschliche Körper als Schriftzeichen?- die Erotik des
nackten Paares „gebändigt“ durch ihre Funktionalisierung?
Auf den durchscheinenden Stoffbahnen von Marina Gertsovskaja
wird mit Witz und Ironie der Mythos vom Körper als Erotikmaschine
zugleich demontiert und wieder erschaffen.
Vom Heimwerkertraum zum trauten Heim, dass der Übergang fließend
ist, berichten die Stickbilder Anne Bleisteiners.
Stickte früher des Heimchen am Herd religiöse Motive und
Leitsätze auf das gut bürgerliche Kopfkissen seiner entschärften
Weiblichkeit, so kommen jetzt vom Sandförmchen bis zum Pariser
alles auf den aufgespannten Putzlappen.
Wunschträume der gesetzten Weiblichkeit - Alexandra kannte
sie alle, „Zigeunerjunge“ singt sie immer noch rauchig,
sehnsüchtig. Diesen Traum von Freiheit und entfesselter Erotik
hat Stefanie Unruh gut aufgehoben und verschlossen
in ihrem edelweißgeschmückten Kulturbeutel.
Während man im Wartezimmer von Daniela von Nayhauß
in der Vorhölle festsitzt, könnte man mit dem „Paradiesbus”
von Sabine Beyerle und David Reuter
in die Welt reisen, wäre dieser nicht im Bunker fixiert. Aber
immerhin kann man sich von ihm aus um die Welt träumen und
von dieser fiktiven Reise reale Postkarten mit paradiesischen Motiven
versenden.
Ganz anders die Videoarbeit von Björn Hausner.
„Moral
Sanction” ist mitten in der schönen neuen Welt der
Globalisierung unterwegs und stellt die Frage, ob auch diese nur
eine weitere unerfüllbare Utopie ist.
Die Schnittstelle Paradies Utopismus ist geöffnet, an ihr arbeitet
Andreas Mayer-Brennenstuhl. In seiner Sowjetbar
wird eine der größten umgesetzten Utopien der Menschheit
versoffen, abgesoffen ist sie gerade in der Unmöglichkeit ihrer
Umsetzung.
Wie sieht der Mensch der Zukunft aus, bzw. wie wird er seinen gestylten,
manipulierten Körper bekleiden. Für den Bunker findet
Kathrin Rabenort den Astronautenlook als Zukunftstrend.
Der Astronaut im Bunker? - Die unendlichen Weiten in kleine lichtlose
Räume unter der Erde verbannt? - aber sind die Verlorenheit
im Angesicht der Unendlichkeit und die Klaustrophobie des kleinen,
dunklen Raumes nicht vergleichbar? Im lichtlosen Bunker kann sich
der Betrachter ins All träumen und schon einmal seine neuen
Kleider ansehen.
Der Blick in die Tonnen des Diogenes, blendet den Betrachter wirft
ihn auf sich selbst zurück. Aus der Selbsterkenntnis schafft
Carlotta Brunetti: Mein Paradies mein eigenes.
Das Paradies als Traum, nur als Vision, als konstruierte Utopie
einer besseren Welt? -Wo sind die Wurzeln des Paradieses? Das Paradies
war der erste Zustand des Menschseins als Einssein mit Gott und
in Harmonie mit der Schöpfung als hierarchisch geordnete Einheit
aller Lebensformen. Durch eine minimale Tat von maximaler symbolischer
und existenzieller Bedeutung brachte der erste Mensch diese Ordnung
aus dem Lot, sie ging für ihn verloren. Aus dem zeitlos dahinfließenden
Leben des Paradieses wurde der zeitlich zerhackte Alltag. Der Weg
zurück ist nur als Weg über das Leben hinaus vorstellbar,
beschreibbar nur im Modell wie im Lichtweg Kristine Oßwalds.
In einem anderen Modell architektonischer Art wird der Traum der
endlosen Bewegungsschleife umgesetzt.Michaela Rotsch
und Philipp Messner entwerfen einen Architekturkörper,
der in sich wie eine Arabeske verschlungen ist ohne Anfang und Ende.
Der Baukörper mutiert zu einer Bewegungsmaschine: durch ein
System von Rollstreppen und Paternostern wird der Betrachter von
unten nach oben und von innen nach außen bewegt. Die Architektur
stülpt sich immer wieder von innen nach außen ähnlich
der bizarren Lebensform der Seegurke.
Orange leuchtet die Bodenarbeit Isabel Ferrands.
Die „minimal sculpture“ im changierenden Monochrom entpuppt
sich auf zweiten Blick als eine Installation aus hunderten von Nähseiden,
die präzise nebeneinander gelegt ein großes Rechteck
umschreiben. Ein Bodenbild entsteht, in dem klassischen Bildpartner
Farbträger und Farbe zu einem Objekt geworden sind.
Künstlerliste:
Jovan
Balov |
Berlin |
Benjamin
Bergmann und
Cornelia Unger |
München |
Sabine
Beyerle |
Berlin |
Annegret
Bleisteiner |
München |
Matthias
Bothor |
Berlin |
Carlotta
Brunetti |
München |
Genia
Chef |
Berlin |
Andreas
Mayer-Brennenstuhl |
Nürtingen |
Isabel
Ferrand |
Utrecht |
Nicole
Frenzel |
München |
Marina
Gertsovskaja |
Berlin |
Björn
Hausner |
München |
Britta
Henrici |
Berlin |
Jason
Horncastle |
Mailand |
Olga
Jurgenson |
London
und Moskau |
Oleg
Kulik |
Moskau |
Vera
Lossau |
Düsseldorf |
Marina
Lyubaskina |
Berlin
und Moskau |
Johanna
Loesch und
Nina Stuhldreher |
München
und Wien |
Philipp
Messner |
München |
Daniela
von Nayhauß |
Berlin |
Kristine
Oßwald |
München |
Kathrin
Rabenort |
Köln |
David
Reuter |
Berlin |
Daniela
Risch |
Berlin |
Nina
Römer |
Berlin
und Moskau |
Torsten
Römer |
Berlin
und Moskau |
Michaela
Rotsch |
München |
Jewgenija
Tschuikowa |
Düsseldorf
und Moskau |
Stefanie
Unruh |
München |
Heidrun
Waadt |
München |
>
oben |